Prof. Dr. Thomas G. M. Blank
Foto: Andrea Schombara
Professor für Kulturgeschichte der Antike (JGU, Fb 07)
Antike Bürgerstaaten, Fremdheit, Gruppenreligionen, Differenzierungskonflikte
weitere Forschungsschwerpunkte
- Polytheismus
- frühes Christentum
- antikes Judentum
- Separatheit
- normative Ordnung
- Esoterik-Exoterik
- Integration
- Inklusion-Exklusion
Thomas G. M. Blank
Im Rahmen meiner Professur für Kulturgeschichte der Antike (JGU Mainz, seit 2016) befasse ich mich schwerpunktmäßig mit Praktiken der differenzierenden Kommunikation, ein Thema, dem ich auf verschiedenen Feldern der antiken Kulturgeschichte nachgehe: zum einen der Formierung eines intellektuellen Lebensstils im Athen des 4. Jh. v. Chr., zum anderen im Bereich der antiken (v.a. römischen) Religion, in der neben der bürgerlichen Staatsreligion zahlreiche weitere religiöse Akteure und Gruppen aktiv waren. Zugleich sind städtische Kommunikationsräume für diese Forschungen bestimmend, wobei mich besonders die Beeinflussung der städtischen Kultur durch Informationszufluss von außen interessiert.
Zentrale Veröffentlichungen
MONOGRAFIE
Religiöse Geheminiskommunikation in der Mittleren und Späten Römischen Republik, Stuttgart, 2024.
AUFSATZ
„Innere Kritiker und welche Umwelt. Intellektuelle zwischen Dissidenz und Systemstabilisierung im Athen des 4. Jahrhunderts„, in: I. Jordovic u. U. Walter (Hg.), Feindbild und Vorbild. Die athenische Demokratie und ihre intellektuellen Gegner, Berlin 2019 (HZ Beihefte 74), 70–106.
AUFSATZ
„Restricted Spaces and the Hierarchies of Communication in Matthew“, in: Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, Reihe A 43, 2019, 5–32.
MONOGRAFIE
Logos und Praxis. Sparta als politisches Exemplum in den Schriften des Isokrates, Berlin 2014.
Wissenschaftliches und gesellschaftliches Engagement
Sprecher des Mini-Graduiertenkollegs „Fremd(e) in der Stadt. Urbane Differenzierungspotentiale und Dynamiken ihrer Aktivierung, Verfestigung und Auflösung“ (JGU Mainz)
Secretary General (ab 2025) der International Society for the History of Rhetoric
Vertrauendsozent der Friedrich-Ebert-Stiftung
Medienauftritte
Fragen und Antworten
Worum geht es in Ihrer jüngsten Publikation?
In meinem Buch zur Religiösen Geheimniskommunikation habe ich mich mit kommunikativen Praktiken antiker Religionen befasst. Es geht um die Formierung kultureller Identität religiöser Gruppen in Abgrenzung zu Außenstehenden, denen man ihr Außenseitertum ostentativ vor Augen hält, in der Idee, nur die Eingeweihten verfügten über das nötige Wissen, um zu verstehen, was es mit der betreffenden Religion und den kultischen Praktiken ihrer Vertrter auf sich habe. Diese Idee des in der Gruppe geteilten Geheimnisses sorgt nicht nur für ein Gefühl der gruppeninternen Identität, sondern setzt die Gruppe auch in ein Verhältnis zu den Außenstehenden, kann sie gegenüber diesen geradezu attraktiv machen. Es überrascht daher nicht, dass Geheimniskommunikation im antiken Rom besonders intensiv von Kultvereinen betrieben wurde, die sich in einer gesellschaftlichen Minderheitenposition befanden und/oder sich außerhalb der bürgerlichen Ordnung stellten. Vermittels der zurschaugestellten kommunikativen Abschottung sowie der Überzeugung, man verfüge über anderen unzugängliche Einsichten und Erfahrunsgwissen, ließ sich ein separater Ort für religiöse Praktiken außerhalb des Staatskultes erzeugen. Zugleich betonte die Praxis die prinzipielle Erlernbarkeit dieses Wissens und thematisierte so die Möglichkeit der Initiation. Markanterweise treten die betreffenden Gruppen aber in der antiken Überlieferung vor allem dann besonders in Erscheinung, wenn sie in Konflikte mit der (v.a. politischen) Mehrheitsgesellschaft gerieten, wenn sich also die Spannung zwischen Separation und Verflechtung nicht mehr aufrechterhalten ließ. In solchen Konflikten war die Geheimnispraxis leicht von außen instrumentalisierbar und konnte ins Bild einer Vorschwörung gegen die Mehrheit gesetzt werden. Im Buch gehe ich an einzelnen Fallbeispielen der Frage nach, welche Rolle die Geheimnispraxis in solchen Konflikten und bei deren Beilegung spielte. Zusätzlich habe ich untersucht, wie sich Klischees über das, was sich in solchen ‚geheimen‘ Kulten tatsächlich abspiele, schon im Vorfeld der Konflikte im gesellschaftlichen Diskurs formierten.
Wo sehen Sie aktuelle gesellschaftliche Anknüpfungspunkte für Ihre Forschung?
Hier sind zwei Aspekte zu benennen, erstens: Die Struktur von Ein- und Ausgrenzung prägt im Grundsatz jede Kommunikation: Ausgrenzend wirken kann sie aber nur gegenüber denen, die bereits Teil des eigenen Kommunikationsfeldes sind, und diese werden durch die ‚Exklusion‘ keineswegs von diesem Raum getrennt, sondern verbleiben stets an seinen Rändern. Man kann nur die als ‚anders‘ beschreiben, die man kennt, nur die als ’nicht dazugehörend‘, die eigentlich schon da sind. Aus genau dieser Untrennbarkeit zwischen ‚eigen‘ und ‚fremd‘ erwächst das Attraktionspotential der Idee des religiösen Geheminisses. Und es lässt sich sehr flexibel einsetzen. Die christlichen Evangelien (v.a. Markus und Matthäus) verwenden bisweilen eine sehr exklusive Rhetorik (z.B. im Gleichnis vom Sämann oder im Spruch von den ‚Perlen vor die Säue‘), die aber dadurch maximal inklusiv wird, dass sie allen Leser:innen suggerieren, nicht zu den Ausgegrenzten zu gehören. Vergleichbare Inklusionsrhetoriken finden sich gerade in den abrahamitischen Religionen bis heute. Sie stellen letztlich historische Transformationen der antiken Geheimniskommunikation dar. Zweitens: Die Instrumentalisierbarkeit der religiösen Geheminiskommunation im Sinne von Verschwörungserzählungen weist Kontinuitäten auf, die von der Antike bis in die Gegenwart reichen: Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Einschränkung separater bakchischer Dionysosreligiön in Rom im Jahre 186 v. Chr., in deren Zuge Vertreter des römischen Staates eine Verschwörungserzählung kultivierten, die viele Elemente dessen enthält, was in der Kaiserzeit in antichristliche und spätestens seit dem Mittelalter antisemistische Erzählungen mündete. Eine gegenläufige Art der Instrumentalisierung betreiben die Akteure esoterischer Verschwörungserzählungen, indem sie gerade der Mehrheitsgesellschaft (bzw. deren Eliten) eine Verschwörung unterstellen, wobei die Einweihung ins Geheimnis als Information über ein durch die Verschwörung unterdrücktes, verbotenes Wissen erscheint.
Was war das Unterhaltsamste, auf das Sie in Ihrer Forschung gestoßen sind?
Ich habe mich im Rahmen der Studien zur Mittleren Republik intensiv mit Plautus befasst, einem Komödiendichter, der nach wie vor nicht nur als historische Quelle, sondern auch als eine der bedeutendsten Inspirationen der Komödientradition der Neuzeit (Shakespeare, Molière etc.) deutlich unterschätzt wird.