Prof. Dr. Nicole Reinhardt
Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Professorin für Neuere Geschichte, Schwerpunkt europäische Religionsgeschichte (JGU)
Normen, Ethik und Institutionen, Europa, Frühe Neuzeit (1500-1800), Religiöser Wandel, Gegenreformation, Vergleichende Geschichte
Nicole Reinhardt
Nach Stationen in Frankreich und Großbritannien bin ich seit Oktober 2022 Direktorin des Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte. Meine Forschungen befassen sich mit den sozialen, religiösen und intellektuellen Dimensionen des “Projekts der Modernisierung”. Mein Zugang ist europäisch vergleichend und über verschiedene Projekte hinweg hinterfrage ich verschiedene Modernisierungsmomente kritisch. Hierbei interessiert mich vor allem der Zusammenhang zwischen politischen und religiösen Machtstrukturen auf der einen Seite und Praktiken der Selbsttransformation auf der anderen. Ein abgeschlossenes Projekt (Voices of Conscience, 2016) untersuchte die Verbindung zwischen Gewissensfragen und politischer Beratung im katholischen Europa des 17. Jahrhunderts und brachte Entwicklungen in der Moraltheologie mit der politischen Theorie und politischen Praktiken in Verbindung. Nach diesem groß angelegten vergleichenden Projekt arbeite ich gegenwärtig in mikrogeschichtlicher Perspektive, über die Spannung zwischen religiösen Transformationen und Thematisierungen des Selbst im 16. Jahrhundert im Milieu junger Studenten der Naturphilosophie im frühneuzeitlichen Bologna. Die übergreifende Frage ist, wie Menschen religiöse Transformation erleben und sich aneignen, und wie sie sich im Konformismus als Individuen ideologisch und praktisch einrichten, ohne sich selbst zu verleugnen.
Mehr über das Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte (IEG)
Das IEG widmet sich Fragen der religiösen, gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen europäischer Geschichte von 1500 bis in die Gegenwart. Die am IEG versammelten Forschenden verfolgen diese Fragestellungen in drei Arbeitsbereichen – Religion, Gesellschaft und Digitalität. Diachrone und synchrone Vergleiche nehmen wir dabei ebenso in den Blick wie die weltweiten Verflechtungen Europas. Neben der Gesamtsteuerung des Instituts leite ich auch den Arbeitsbereich „Religion“, in dem Nachwuchswissenschaftler:innen mit Expertise in der christlichen, jüdischen und muslimischen Geschichte zusammenarbeiten. Wir fokussieren hier insbesondere Probleme der Generierung und Mobilisierung religiösen Wissens, die Analyse religiöser Erfahrungen und die Bedeutung religiöser Interaktionen für gesellschaftliche Prozesse, Strukturen und Hierarchien in Europa als religiös pluralem Raum. Der Arbeitsbereich nimmt zunächst religiöse Umbruchserfahrungen und Umbruchsdeutungen unter dem Gesichtspunkt historiographischer Interpretationen als auch aus der Perspektive der historischen Akteure in den Blick. Des Weiteren sollen Verschiebungen in den Wissensregimes historischer Akteure akzentuiert und dabei die Ebene der Erfahrungen einbezogen werden. Außerdem fragen die Forschungen am IEG, welche Auswirkungen die von den historischen Akteuren selbst postulierten Strategien des Traditions- und Normumbruchs für die religiöse und gesellschaftliche Interaktion besitzen.
Zentrale Veröffentlichungen
BEITRAG
„Orizzonti (non) solo europei in un archivio patrizio Bolognese. La collezione di manoscritti di Vincenzo Ferdinando Ranuzzi Cospi tra Bologna, Londra e Austin/Texas,“ in: S. Alongi, F. Boris u. M. T. GuerriniIl (Hg.), Il patriziato bolognese e l’Europa, Bologna 2023, S, 202-218.
BEITRAG
„For the love of God?’ The First Commandment and sacramental confession in early modern Catholic Europe“, in: E. Corran u. M. Clarke (Hg.), Rules and Ethics: Perspectives from anthropology and history, Manchester 2021, S. 124-144
ARTIKEL
„Hernando de Mendoça, General Acquaviva, and the Controversy over Confession, Counsel, and Obedience„, Journal of Jesuit Studies 4 (2017): 209–229
MONOGRAFIE
Voices of Conscience. Royal Confessors and Political Counsel in Seventeenth-Century Spain and France, Oxford 2016.
Wissenschaftliches und gesellschaftliches Engagement
Mitglied des Beirats des Deutschen Historischen Instituts in Paris