Der Stern der Erlösung – ein Jahrhundert später: Franz Rosenzweig und die Geschichte | 
The Star of Redemption – a Century Later: Franz Rosenzweig and History

Internationaler Kongress | International Congress

Frankfurt am Main, 17.–20. Juli 2022 | 17–20 July, 2022
Campus Westend – Casino-Gebäude

Organisiert von | Organized by:
Internationale Franz Rosenzweig Gesellschaft e.V. / Buber-Rosenzweig-Institut für jüdische Geistes- und Kulturgeschichte der Moderne und Gegenwart / Martin-Buber-Professur für Jüdische Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt / Franz Rosenzweig Minerva Research Center at the Hebrew University of Jerusalem

Der Kongress findet im Rahmen des Festjahrs 
„321-2021: 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland“ statt

Franz Rosenzweigs Der Stern der Erlösung gehört zu den bedeutendsten philosophischen Werken aus dem Kreis deutsch-jüdischer Intellektueller im frühen 20. Jahrhundert und spricht bis in die geistigen und politischen Herausforderungen der Gegenwart hinein. Während des Ersten Weltkriegs verfasst, inmitten einer Zeit dramatischer historischer Umbrüche und Ungewissheiten, markiert diese Schrift eine Zäsur auch im Denken des Philosophen.

Was Hans Liebeschütz als Rosenzweigs „Abkehr von der Geschichte als einer wesentlichen Kategorie des Weltverständnisses“ gekennzeichnet hat, vollzog sich unter dem Einfluss mehrerer miteinander verflochtener biographischer Entwicklungen, zeitgeschichtlicher Erfahrungen und philosophischer Neuaufbrüche. Dazu zählt Rosenzweigs durch den Ersten Weltkrieg zugespitzte Wendung gegen die Tradition historistischer Geschichtsschreibung und seine Desillusionierung mit Blick auf das Entwicklungs- und Fortschrittsdenken des 19. Jahrhunderts, einschließlich der modernen Konzeption der universalen messianischen Rolle des Judentums in einer als Fortschrittsgeschichte gedachten Weltgeschichte. Eine wichtige Rolle spielt zudem Rosenzweigs „neues Denken“ und der Paradigmenwechsel hinsichtlich des Verhältnisses von Geschichte und Offenbarung sowie seine philosophischen Reflexionen über Zeitlichkeit und Geschichte. Damit ging nicht zuletzt seine Überzeugung von der Exterritorialität des jüdischen Volkes einher, der „Erdfremdheit“ des jüdischen Volkes, seiner „Abwesenheit vom Theater der Geschichte“, im Gegensatz zur Bedeutung der christlichen Kirche innerhalb der Geschichte von Macht und Weltgestaltung.

Obwohl Rosenzweig die Geschichte als geistiges Ordnungsprinzip einem in der göttlichen Offenbarung verankerten Denken unterordnete, spielte die Reflexion über zeitgeschichtliche und politische Zusammenhänge, darüber, wie „jüdische Geschichte“ im Kontext der Weltgeschichte zu verstehen sei, auch in seinem Werk nach dem Erscheinen des Stern eine wichtige Rolle. Das Thema „Franz Rosenzweig und die Geschichte“ berührt zentrale Facetten der Biographie und des Denkens des Philosophen: seine Deutung des Krieges und seiner Folgen; seine Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen zionistischen Diskurs; seine Kritik der Tradition der Wissenschaft des Judentums; seine Verhältnisbestimmung von Judentum und Christentum; seine Frage nach den Grundlagen jüdischer Existenz im 20. Jahrhundert und nach der religiös-kulturellen Erneuerung der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland, und nicht zuletzt sein philosophisches Verständnis zentraler Kategorien wie Schöpfung, Offenbarung und Erlösung aus der Perspektive seiner Konfrontation mit der Krise des Historismus. Dazu kommen die Frage nach dem historischen Augenblick der Abfassung und Publikation des Stern in der Geschichte Europas und der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland sowie die Geschichte des Stern und des Werkes Rosenzweigs selbst – seiner Rezeption, Kritik und Wirkung zu Lebzeiten des Philosophen, in der Zeit nach seinem Tod im Jahre 1929 und bis in die Gegenwart.

An drei Tagen beleuchten 15 Panels die diversen Facetten des Werkes. Abgerundet wird der Kongress durch drei Plenarvorträge, zwei öffentliche Abendveranstaltungen und eine feierliche Eröffnung mit musikalischer Untermalung durch das Jerusalem Duo. 

zum vorläufigen Programm

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Franz Rosenzweig’s The Star of Redemption belongs to the most important philosophical works that emerged from the circle of German Jewish intellectuals during the early twentieth century, and continues to be relevant for addressing the intellectual and political challenges of our own present. Written during World War I, in the midst of a period of dramatic historical upheavals and uncertainties, this book marks a caesura also within the philosopher’s thinking.

What Hans Liebeschütz has characterized as Rosenzweig’s „departure from history as an essential category of the understanding of the world“, occured under the influence of a number of intertwined biographical developments, historical experiences, and new philosophical approaches. This includes Rosenzweig’s critical turn, in the wake of World War I, against the tradition of historicist historiography and his disillusionment regarding the emphasis on development and progress in 19th-century thinking, including the modern concept of Judaism’s universal messianic role in a world history conceived as a history of progress. Rosenzweig’s „new thinking“ and the paradigm shift with regard to the relationship between history and revelations as well as his  philosophical reflections upon temporality and history play an equally important role. Last but not least, this resulted in his conviction regarding the exterritoriality of the Jewish people, its “Erdfremdheit”, its “absence from the theater of history”, in contrast to the significance of the Christian Church within the history of power and worldly affairs.

Even though Rosenzweig subordinated history as an intellectual organizing principle to divine revelation, the reflection upon contemporary historical and political issues, upon the question how „Jewish history“ should be understood within the context of world history, played a substantial role also after the publication of the Star. The topic “Franz Rosenzweig and History” enables us to discuss crucial facets of the philosopher’s biography and thinking: his interpretation of the war and its consequences; his critical encounter with contemporary Zionist discourse; his critique of the tradition of Wissenschaft des Judentums; his thoughts about the relationship between Judaism and Christianity; his question regarding the religious and cultural renaissance of the Jewish community in Germany; and, finally, his philosophical interpretation of central categories such as creation, revelation, and redemption, from the perspective of his confrontation with the crisis of historicism. Two further aspects will be addressed: the question regarding the historical moment of the composition and publication of the Star in the history of Europe as well as in the history of the Jewish community in Germany; and secondly, the history of the Star and Rosenzweig’s work itself – its reception, critique, and impact during the philosopher’s lifetime, after his death in 1929 and until our present.


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